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Vorbemerkung Ergänzend zum vorausgegangenen Artikel von Bunny S. Duhl, die gemeinsam mit David Kantor und Fred Duhl einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung und Verbreitung der Skulpturtechnik geleistet hat, berichte ich aus unserer Praxis mit Skulpturarbeit. Ich werde verschiedene Arten der Skulpturtechnik darstellen und Hinweise für den Einsatz unterschiedlicher Skulpturen in Therapie, Beratung, Supervision und Gruppenarbeit geben. Einleitung Virginia Satir war zwar nicht die alleinige Erfinderin der Skulpturarbeit, doch ihre kreativste, lebhafteste, humorvollste und machtvollste Propagandistin. Sie hat den Umgang mit Skulpturen zur hohen Kunst in der therapeutischen Prozessarbeit ausgebildet und zur Blüte gebracht. Ohne Virginia würde es wohl die Technik geben, jedoch nicht in dieser Variationsbreite und nicht in diesen spielerischen Formen. Und nicht zu vergessen: Die Skulpturtechnik wäre ohne ihre Reisetätigkeiten nicht so rasch weltweit verbreitet worden. Jeder, der Virginia während ihrer Arbeit beobachtete oder selbst als Rollenspieler mitwirkte, konnte sich kaum dem Bann der Skulpturbilder entziehen. Die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit mit der sie rasch prägnante Bilder stellte oder große Szenarien entwickelte, hat sich tief eingeprägt. Die Kraft dieser Standbilder, "leibhaftigen Fotos", psychodramatischen Bewegungsabläufe, Stummfilmszenen und Familien-"Tänze" war so stark, dass ich in Therapien und Seminaren noch heute davon zehre. Ihr Satz "I want to show you something" ist bei uns zu einem geflügelten Wort geworden und ich selbst leite mit diesem Satz häufig Skulpturen ein. In der entwicklungs- und wachstumsorientierten Familientherapie, in der Paartherapie und Eltern-Kind-Beratung hat sich in den letzten Jahren die Skulpturtechnik sowohl als Diagnose- als auch als Interventionsinstrument immer mehr durchgesetzt. Berater und Therapeuten benutzen dieses Mittel, um wirkungsvoller, intensiver und rascher mit inneren Prozessen zu arbeiten. "Wir können die Skulptur als eine symbolische Repräsentation des Systems bezeichnen, die sich die Dimensionen von Raum, Zeit und Energie, wie sie allen Systemen eigen sind, zunutze macht. Sie gestattet es den Teilnehmern, Beziehungen, Gefühle und Veränderungen zugleich vorzuzeigen und an sich zu erfahren" (Andolfi 1982, S.130). Ein Vorteil der Skulpturen ist es, dass die körperliche Demonstration innerer Vorgänge sowohl dem Beobachter als auch dem Protagonisten viel genauere Informationen gibt als eine wörtliche Beschreibung. Dem Akteur erleichtern Skulpturen den Ausdruck von Gefühlen, Bedürfnissen, Gedanken, Erwartungen, Regeln, die auf der verbalen Ebene schwierig zu vermitteln sind. Was also von einer Person oder innerhalb der Familie unausgesprochen bleibt oder als unaussprechbar betrachtet, was ignoriert, verleugnet wird oder abgespalten ist, kann im Skulpturbild externalisiert werden. Der Therapeut gewinnt ein reichhaltiges Angebot der Variablen, die ein Familiensystem geformt haben und die zur Prägung von Bedeutungen für spezifische Ereignisse und Beziehungen beigetragen haben. Ein weiterer Vorteil ist, dass Ereignisse, die in der Vergangenheit liegen, im "Hier und Jetzt" lebendig werden können. Skulpturen erlauben uns auch, Ereignisse, die nicht synchron sind, in uns aufzunehmen und Verbindungen herzustellen. In dem Teil unseres Gehirns, der keine Zeit kennt, sind solche Ereignisse oft verbunden und mit Bedeutungen belegt, die "damals überlebensnotwendig" waren, um eine innere Realität und einen Zusammenhang zu schaffen. Die rechte Gehirnhälfte arbeitet auf einer intuitiven Ebene in ganzheitlichen Bildern, in Metaphern, ohne dass die Elemente dieser Bilder in Einzelteile aufgeteilt werden. So bahnt eine Skulptur einen direkten Weg zu Bedürfnissen und Gefühlen, die in der realen Lebenswelt der Familie die Beziehungen bestimmen, ohne dass sie den Beteiligten bewußt sind: Haltungen, Regulierung von Nahe und Distanz, Autorität und Unterordnung, Macht, Ohnmacht im Kontext von Raum und Zeit. (Siehe hierzu die ausführlichen Ausführungen in Duhl 1983, 213 ff.) Das attraktivste Merkmal von Skulpturen ist ihre Flexibilität: Ein Therapeut, der auch feinste Einzelheiten im Verhalten des/der Klienten wahrnimmt, mag sich davon zu einer Skulptur anregen lassen; ein ander Mal kann er sehr genau auf verbale Informationen achten und diese spontan in eine Skulptur umsetzen. Er kann eine Skulptur jederzeit stoppen, in eine andere Richtung lenken und wieder zurückkommen, wenn es ihm notwendig erscheint. Und nicht zu vergessen: Der Umgang mit Skulpturen macht Spaß! Außer Bewegung kommt Leichtigkeit, Humor und (manchmal unfreiwillige) Komik in die Sitzungen. Skulpturen mögen nicht sofort das ganze System offenlegen, aber ein Therapeut kann mit Hilfe von Skulpturen immer die nächsten Schritte finden. Wenn alles gut verläuft, werden Verhaltensmuster klar und Klienten werden sich ihrer eigenen Verantwortung zur Erhaltung dieser Muster bewusst, Können Wahlmöglichkeiten erkennen und in Veränderungen umsetzen. Im "schlimmsten Fall" helfen Skulpturen dem Klienten dabei, über die Muster, die er zu vermeiden versucht, nachzudenken; dem Therapeuten bleibt die Möglichkeit, die Veränderung mit Hilfe anderer Techniken anzugehen. (Siehe u.a. Duhl, Kantor, Duhl 1973; Constantine 1978). Obwohl die Bezeichnung "Skulptur" bereits allgemein verwendet wird, ist das Wort selbst kein adäquater Ausdruck, denn es impliziert eher einen statischen Wert und beschreibt nicht den Prozess. Da emotionale Beziehungen sich immer in Bewegung befinden, sind Skulpturen ein Instrument der Bewegung: ein Sichtbarmachen der Koalitionen, Triaden-Konstellationen und der wechselhaften inneren Strömungen. In unseren Kursen für Psychologen, Ärzte, Sozialpädagogen, Pädagogen, u.a. lehren wir diese Technik sowohl im Rahmen der Weiterbildung in Familientherapie und systemischem Arbeiten als auch in speziellen Seminaren. Desgleichen finden diese Techniken in unserer therapeutischen Tätigkeit und in der Supervision durchgängig Anwendung. Das Gestalten einer Familienskulptur ist ein prozesshafter Vorgang und umgeht die an die Sprache gebundenen Abwehrphänomene. Personen, die sprachlich nicht gewandt sind (siehe hierzu Müller 1990, S.545), finden mit Hilfe der Familienskulpturen leichter Zugang zu Gefühlen und Beziehungsprozessen innerhalb ihrer Familie. Was in der Beratung so bedeutsam ist - nämlich möglichst an konkret Fassbarem zu arbeiten - wird mit Hilfe der Skulpturarbeit sehr gefördert: Vorgänge in der Familie werden für alle sinnlich-konkret erlebbar. "Raum-zeitliche Metaphern stellen, weil archaischer, ein eher universelleres 'Kommunikationsmedium' als die Sprache dar. Die Bedeutung solcher Metaphern kann von verschiedenen Familienmitgliedern leicht gemeinsam verstanden und akzeptiert werden ..." (Schweitzer und Weber 1982, S.114). Ähnliches gilt für Personen, die im Sinne von Satirs dysfunktionaler Kommunikationsform "supervernünftig" agieren. Mit Hilfe der Skulpturarbeit Können sie von der Ebene des Theoretisierens und langatmigen Redens gelöst werden, um leichter Zugang zu ihren Gefühlen, Körperempfindungen und Bedürfnissen zu finden. Die Technik der Skulptur "öffnet hier einen eleganten Weg, die Angst des Klienten vor der Konfrontation mit sich selbst zu umgehen. In der Regel hat Satir selbst ein Bild gestellt oder Anweisungen zur Gestaltung und zu bestimmten Bewegungen gegeben. Nur manchmal konnte der Akteur Korrekturen anbringen. Man muss wissen, dass Satir nahezu ununterbrochen, die Skulptur begleitend, zum Protagonisten, zu Familienmitgliedern oder zur Gruppe gesprochen hat: Kommentare, Bedeutungen, eingestreute Botschaften, Appelle, Anweisungen, Geschichten, Metaphern. Dabei suchte sie häufig Körperkontakt zum jeweiligen "Star", indem sie seine Hand hielt - meist locker, zwischendurch leicht drückend, immer jedoch wie selbstverständlich und vertraut. Dabei nahm sie regelmäßig Blickkontakt auf, wandte sich direkt zu, strich dem Star leicht übers Haar, blickte fordernd, aufmunternd, liebevoll, fragend, schelmisch, prüfend, herausfordernd, zwinkerte mit den Augen, zog die Augenbrauen hoch - je passend zum Kontext, doch nie aufgesetzt, sondern immer natürlich und spontan. Sie sprach mit fester, klarer, doch einfühlsamer Stimme, die sie "ähnlich wie ihre Mimik modulieren konnte. Mit der freien Hand lenkte sie den Blick des "Stars" auf die gezeigten Bilder oder führte ihn unmerklich, doch sehr gezielt über die Augenbewegungen zur Wahrnehmung innerer Prozesse im Sinne des neurolinguistischen Programmierens. "Wie hast du dich gefühlt als du von deinem Vater erfahren hast, dass er ... ?" Und dabei führte sie mit einer großen Hand- und Armbewegung den Blick des "Stars" nach rechts unten, um ihm den Zugang zu seinen Emotionen zu erleichtern. Virginia nutzte alle Modalitäten ihres Verhaltensrepertoires, um mit großem physischen Einsatz, Charisma, seismografischer Sensibilität und unvergleichlich therapeutischer Eleganz den Prozeß voranzutreiben. Selbstverständlich ist ihre Art und Weise nicht zu kopieren und niemand sei zu einem derartigen Versuch ermutigt. Doch es ist möglich, die Struktur ihres Vorgehens - die auf den ersten Blick oft geheimnisvoll war - nachzuvollziehen. Allerdings stellt sich dabei die Frage, welche Techniken des Skulpturenbauens eingesetzt, welche Schritte beachtet, wie eine Skulptur eingeleitet, begleitet und ausgewertet werden sollte. Diese Technik kann von Praktikern, die unerfahren sind, nicht ohne Supervision angewendet werden; sie ist ein machtvolles Instrument, mit dem sorgfältig und verantwortungsbewusst umgegangen werden muss. Der Prozess des Skulpturenbauens kommt am besten zum Fließen, wenn zwischen Therapeut und Klient/en guter Kontakt geschaffen wurde und ein Klima von Vertrauen, Sicherheit und gegenseitigem Respekt herrscht. Satir hat die Anwendung von Skulpturen nie gelehrt; es blieb nur die Möglichkeit, genau zu beobachten und die einzelnen Schritte anschließend zu extrahieren. Gaby Moskau und ich haben die Vorgehensweisen für verschiedene Arten von Skulpturen zusammengefasst und Ergänzungen aus unserer Praxis angefügt. Wir beziehen uns dabei vor allem auf die wertvollen Anregungen, die uns Bill Nerin und Anne Robertson-Nerin (1983) und Bunny S. Duhl (1985) gegeben haben. Alle drei sind langjährige Schüler von Virginia Satir und haben ihren persönlichen Erfahrungshintergrund in die Arbeit mit Virginias Techniken eingebracht. Die in diesem Beitrag dargestellten Anleitungen sind das Ergebnis gemeinsamen Lernens bei Virginia, Anne, Bill und Bunny und unserer eigenen Therapie- und Lehr-Erfahrungen und gehen teilweise über die von Satir angewandte Skulpturarbeit hinaus. Einzel-Skulptur Es kommt in der Therapie immer wieder vor, dass ein Klient Schwierigkeiten hat, eigene Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen und/oder zu verbalisieren. Dann kann es hilfreich sein, eine Einzel-Skulptur anzuregen; diese Technik kann sowohl in der Einzel- als auch im Rahmen einer Paar- und Familientherapie genutzt werden. Im folgenden wird angenommen, dass der Klient Schwierigkeiten hat, über bestimmte Gefühle in einer spezifischen Situation zu sprechen. Erste Möglichkeit: 1. Therapeut lädt zur Skulpturarbeit ein. Er erklärt kurz, was darunter zu verstehen ist und/oder gibt ein Beispiel. 2. Klient wird aufgefordert, sich bewusst zu machen, wie es ihm in der vorher herausgearbeiteten spezifischen Situation geht. Eine Zentrierung - mit geschlossenen oder gesenkten Augen - ist hier oft hilfreich. Therapeut fordert Klienten auf, "in die Situation zu gehen" und sich die Situation mit den jeweiligen Personen vorzustellen. Therapeut fragt nach, ob es Klienten gelingt. Wenn ja, leitet Therapeut weiter an: "Machen Sie sich bewusst, was Sie in dieser Situation sehen, hören, sagen, fühlen und spüren. ... Achten Sie darauf, dass Sie sich nicht wie auf einem Bild sehen, sondern dass Sie die Situation selbst erleben, dass Sie also selbst dort sind." Dabei ist es notwendig, langsam und behutsam vorzugehen. 3. Klient benutzt Therapeuten für die Skulptur, d.h. er formt ihn (wie eine Gliederpuppe) möglichst wortlos, bis das Skulpturbild der inneren Gestalt seines spezifischen Gefühlszustands entspricht. Der Therapeut begleitet diesen kreativen Prozess mit klaren Anleitungen, wie z.B.: "Nutzen Sie meinen gesamten Körper. - Wie stehe ich auf dem Boden? - Ist der Oberkörper geneigt? - Zeigen Sie mir, wie? - Nehmen Sie meine Arme und modellieren Sie diese Ihrem Bild entsprechend. - Wohin ist mein Gesicht gerichtet? - Wohin schaue ich? - Wenden Sie meinen Kopf so, wie Sie sich dies vorstellen. - Gehen Sie um mich herum und betrachten Sie mich/die Skulptur/das Bild von allen Seiten; wenn Sie etwas an der Haltung verändern wollen, tun Sie es." 4. Therapeut verharrt in der Skulptur, bis er Gefühle, Körperempfindungen, Gedanken klar identifiziert und speichert diese Informationen, um sie später im Auswertungsprozess mitzuteilen. 5. Klient schaut sich seine "fertige" Skulptur an und nimmt dann genau dieselbe Haltung ein. Er bleibt in dieser Skulptur, bis er Gefühle, Körperempfindungen, Gedanken wahrnimmt. Therapeut gibt hierzu wiederum knappe und klare Anleitungen. 6. Danach teilt zuerst Therapeut seine Gefühle, Körperempfindungen, Gedanken mit. Klient hört zu und berichtet, mit welchen Aussagen (Gedanken, Gefühlen etc.) er sich "verbinden" kann. 7. Klient teilt seine Gefühle, Körperempfindungen, Gedanken mit. 8. Auswertung der Erfahrungen des Klienten und Verbindung mit therapeutischen Zielen. Zweite Möglichkeit: Diese Form ist angebracht, wenn Klient Schwierigkeiten hat, Therapeut zu modellieren. 1. Klient macht sich bewusst, wie es ihm in einer spezifischen Situation geht (am besten mit Hilfe einer Zentrierung). 2. Klient "skulptiert" sich selbst; Therapeut gibt Hilfestellungen, ohne direkt in die körperliche Ausformung einzugreifen. 3. Therapeut nimmt nun exakt dieselbe Haltung ein (er "geht in die Skulptur" des Klienten) und wartet, bis er bei sich gefühlsmäßige, körperliche und gedankliche Sensationen bemerkt. 4. Therapeut teilt Gefühle, Gedanken etc. mit. 5. Klient teilt Gefühle, Gedanken etc. mit. 6. Auswertung der Erfahrungen des Klienten und Verbindung mit therapeutischen Zielen. Ähnlich wie bei der ersten Möglichkeit, leitet der Therapeut den Prozess stetig, aber unaufdringlich an und beobachtet dabei genau. In der Einzeltherapie kann der Therapeut mit Hilfe der Einzel-Skulptur der Reihe nach jedes Familienmitglied darstellen (lassen). Wenn angezeigt, kann z.B. kurz eine dyadische Sequenz zwischen Klient und einem anderen Familienmitglied mit Therapeut als Doppel dargestellt werden. Ergänzend ist es möglich, dass anschließend der Klient selbst in die Skulptur des von ihm vorher gestellten Familienmitglieds mit Therapeut als Doppel "schlüpft", um nachzuspüren, wie es sozusagen "auf der anderen Seite" ist. So können möglicherweise neue, wichtige Informationen zugänglich gemacht werden. Wichtig ist hier, dass der Therapeut folgende Unterscheidung kennt: Es ist eine grundsätzlich andere Erfahrung etwas von außen zu sehen ("from the outside in") als es von innen heraus zu erleben ("from the inside out"), wie Duhl (1983) es benennt. Paar-Skulptur (Ist-Zustand) Diese Form der Skulptur lässt sich sowohl in Paar- und Familientherapien als auch in Arbeitsteams und Gruppen einsetzen, wenn zwischen zwei Personen stressbeladene Sequenzen ablaufen, welche immer wieder in der gleichen destruktiven Art und Weise geschehen, und wenn die beidseitige Bereitschaft zur Veränderung dieser Situation gegeben ist. Der Therapeut begleitet den Prozess mit klaren Anleitungen "ähnlich wie dies vorher bei der Einzel-Skulptur skizziert wurde. 1. Klient 1 nimmt Therapeut als sein Doppel und stellt die kritische Beziehung zwischen sich und seinem Partner (Klient 2) in der spezifischen Stresssituation als Skulpturbild dar. 2. Wenn die Skulptur gestellt ist, bleibt Therapeut in der modellierten Haltung, zentriert sich, macht sich Gefühle, Körperempfindungen, Gedanken bewusst und speichert diese. 3. Dann fordert Therapeut Klient 1 auf, sich die Paar-Skulptur von allen Seiten aus anzusehen, eventuell Korrekturen anzubringen und danach "in die Skulptur zu gehen" und sich so hinzustellen, wie er - der Therapeut - von ihm vorher gestellt wurde. Es kann geschehen, dass Klient 2 mit der Darstellung von Klient 1 nicht einverstanden ist. Der Therapeut vermittelt in diesem Fall Klient 2, dass anschließend auch für "sein Bild" Platz sein wird. Ergänzend bittet der Therapeut Klient 2 darum, sich die Paar-Skulptur von Klient 1 "von außen" anzuschauen, so dass er das Beziehungsbild des Partners auch sehen kann. D.h. der Therapeut geht kurz an den Platz von Klient 2 und nimmt dessen Haltung ein; Klient 2 tritt aus der Skulptur, betrachtet das Bild und "schlüpft" wieder in die Paar-Skulptur. 4. Zentrierung von Klient 1 und 2: "Bleiben Sie nun beide in dieser Stellung, schließen Sie die Augen und nehmen Sie sich Zeit, sich ihre Gefühle, Körperempfindungen und Gedanken in dieser Haltung bewusst zu machen. - Bitte merken Sie sich für die anschließende Besprechung, was Sie soeben entdeckt haben und "öffnen Sie wieder Ihre Augen." 5. Feedbackrunde: Zuerst Therapeut als Klient 1: Gefühle, Körperempfindungen, Gedanken; dann Rückmeldung von Klient 1 auf die Aussagen des Therapeuten; dann Bericht von Klient 1 und 2 über ihre Erfahrungen in der Skulptur. Grund für diese Reihenfolge ist: Der Therapeut soll Gelegenheit haben, zuerst für sich wieder Distanz zum System zu schaffen, um das weitere Vorgehen klar anleiten zu können. Wenn der Therapeut sich selbst modellieren lässt oder selbst in die Haltung des Klienten geht, kann er zum einen den stressigen Zustand des Klienten ansatzweise nachvollziehen und zum anderen können seine Aussagen Anregung und Hilfe für den Klienten während der Besprechung darstellen. Wichtig dabei ist, dass er seine Erfahrungen in der Skulptur möglichst anschaulich berichtet, also Beschreibungen und keine Interpretationen bringt. Er muss darauf achten: Seine Wahrnehmungen in der Skulptur waren seine Wahrnehmungen; er darf sie dem Klienten nicht "überstülpen". 6. Eventuell Stressskulptur derselben Situation von Klient 2 gleich anfügen. Alternative: Wenn Klient 2 ein anderes Bild derselben Situation hat, stellt Klient 2 "seine" Skulptur (Schritte 1. - 3.). Beide Skulpturen werden verglichen, Ähnlichkeiten heraus gearbeitet. Ziel ist dann zuerst die Einigung auf die Arbeit mit einer Skulptur. Der Prozess von der Ist- zur Wunsch-Skulptur für Paare Es ist therapeutisch sinnvoll, nicht nur bei der Darstellung und Diskussion des Ist-Zustandes zu bleiben. Wenn Paare eine Vorstellung ihres erwünschten Beziehungszustands in einer spezifischen Stresssituation haben, bietet sich die Arbeit mit der Ist-Soll-Skulptur an. 1. Klient 1 stellt - mit dem Therapeuten als Doppel - die Zweierbeziehung in einer Stresssituation dar (wie oben 1.). 2. Therapeut fordert Klient 1 auf, "in die Skulptur zu gehen" und sich so hinzustellen, wie vorher der Therapeut von ihm gestellt worden ist. 3. Dann "schlüpft" Therapeut in die Skulptur von Klient 2. Klient 2 sieht sich die Skulptur "von außen" an und verändert in Abstimmung mit Klient 1 die Paar-Skulptur, bis diese für beide Klienten stimmig ist. 4. Kurzer Austausch. 5. Zentrierung für Klient 1 und 2: "Wie sollte die "Wunsch"-Skulptur bezogen auf die spezifische Stresssituation aussehen?" 6. Therapeut nimmt den Platz von Klient 1 ein, der unter Anleitung des Therapeuten "seine" Wunsch-Skulptur formt. 7. Klient 1 geht in die Skulptur und Therapeut "schlüpft" nun in die Skulptur von Klient 2. Dieser verändert in Abstimmung mit Klient 1 die Paar-Skulptur so lange, bis sie für beide Partner passend ist und geht dann wieder selbst in die Skulptur. 8. Therapeut lässt den Prozess von der Ist- zur Wunsch-(Soll-) Skulptur zwei- dreimal im Zeitlupentempo ohne Worte ablaufen. 9. Ausgehend von der Ist-Skulptur gehen nun Klient 1 und 2 alle Schritte zur Soll-Skulptur durch. Jeder Schritt wird mit Hilfe des Therapeuten in konkrete Verhaltensweisen für Zuhause übersetzt und ausgehandelt. Eine zweite Möglichkeit: Zuerst die Schritte 1. bis 4., dann: 5. Beide Klienten gehen in die ursprüngliche Stress-Skulptur. - Zentrierung. - Therapeut: "Lassen Sie sich nun in dieser Haltung wissen, was Sie für sich brauchen, um einen anderen Gefühlszustand zu erreichen. ... Dann - ganz langsam, wie in Zeitlupe - verändern Sie Ihre Körperhaltung und Position im Raum und in Beziehung zu Ihrem Partner. Reagieren Sie auf Veränderungen bei Ihrem Partner und achten Sie bei sich darauf, ob das von Ihnen erwünschte Ziel erreicht wird. Achten Sie auf Ihre Körperempfindungen und auf Ihre gefühlsmäßigen und gedanklichen Reaktionen." 6. Therapeut lässt den Prozess im Zeitlupentempo von der Ist- zur Soll-Skulptur zwei- bis dreimal wortlos ablaufen. Klienten überprüfen, ob der Veränderungsprozess für sie passend ist. Therapeut arbeitet stetig heraus, was die Klienten tatsächlich benötigen, um von der bisher dysfunktionalen Beziehung in dieser spezifischen Situation zu einer sich eher gegenseitig unterstützenden zu kommen. Selbstverständlich müssen beide Partner kompromissbereit sein; Aufgabe des Therapeuten ist es, eine Brücke zu bauen zwischen dem, was jede Person am liebsten haben möchte und was zum jetzigen Zeitpunkt für den Partner akzeptabel ist. Die auf S. ... beschriebenen Werkzeuge (Ja-Nein-Medaillon, Mutstab etc.) können hier genutzt werden. Am Ende dieses Prozesses gibt eine Schlusszentrierung eine gute Gelegenheit, die Erfahrung "zu zementieren" und zugleich die Übertragung ins Alltagsleben zu erleichtern. Diese Zentrierung wird im Sinne eines "Future Pacing" (NLP) angeleitet. Die Klienten schließen die Augen und stellen sich den nächsten Anlass für eine Stresssituation vor. Sie werden angeleitet, die für die Soll-Skulptur notwendigen konkreten Handlungen mit in die zukünftige Situation zu nehmen und zu erleben, wie es sein wird. Nach dieser Zentrierung wird eine kurze Auswertung dieser Erfahrung angefügt. Grenz-Skulptur Satir hat in ihren Seminaren davon gesprochen, dass jeder Mensch eine Art Energiefeld um sich hat, das durch unsichtbare Grenzen konzentrisch gegliedert ist. Das Feld ist je nach persönlichem Befinden, Flexibilitätsgrad, Kontext, Lebensphase, Zeit und Ort unterschiedlich groß; die Grenzen sind dementsprechend ausgeprägt - einmal durchlässig, ein andermal undurchdringlich, ganz eng um das Selbst gezogen, oder weiträumig angelegt. Duhl (1973, S.57 ff.; 1983, S.246 ff.) hat eine Form der Grenz-Skulpturen entwickelt, die besonders im Rahmen der Paartherapie von Bedeutung ist, jedoch auch in anderen dyadischen Konstellationen (Vater/Kind, Mutter/Kind, Geschwister, Gruppenmitglieder, Arbeitskollegen, Leiter/Gruppenmitglied, Vorgesetzter/Mitarbeiter etc.) angewendet werden kann. Da Satir diese Form der Skulptur selbst nicht benutzte, sei sie hier nur skizziert. Duhls Annahme dabei ist: Die Anwendung der Grenz-Skulptur ist ein Weg, implizite Regeln aufzudecken, die hinter Verhaltensweisen liegen, die Anlass zu Konflikten zwischen zwei Personen geben. Die Kontrolle des eigenen Raums ist für den eigenen Selbstwert von großer Bedeutung. Und es gilt auch: "Um eins mit einem geliebten Menschen werden zu können, muss jemand das Gefühl haben, vom anderen getrennt zu sein, um gleichzeitig sich mit ihm verbinden zu können" (Cierpka 1986, S.317). 1. Therapeut bittet den Protagonisten, im Zimmer umherzugehen und seinen "persönlichen Raum" abzuschreiten, den Raum also, in dem "sein Selbst lebt". Der Raum wird mit einem Seil auf dem Boden abgesteckt. Ebenso werden anschließend diverse Gliederungen des individuellen Innenraumes konzentrisch festgelegt und mit Seilen markiert. 2. Therapeut bittet Protagonisten/Klienten, zu beschreiben, wer in seinen Raum eintreten darf und unter welchen Bedingungen dies geschehen kann. Der jeweilige Partner des Protagonisten oder ein Gruppenteilnehmer probiert aus, wie und wo er zuerst die äußerste Grenze und eventuell sukzessiv die weiteren Innengrenzen überschreiten und in welche Räume er eintreten kann. In einer Gruppe kann dieser Schritt variiert werden: Was ist der Unterschied, wenn eine Frau, ein Mann, eine fremde Person, ein Freund etc. oder mehrere Personen auf einmal versuchen, einzutreten? Dieses Stadium des Grenz-Skulptur-Prozesses kann je nach aktueller Lage und Interventionsziel kreativ variiert werden. 3. Nun wird zwischen zwei Personen genau ausgehandelt (im Sinne einer partnerschaftlichen Abgrenzungs- und Versöhnungsarbeit), wie die Regeln für den Zugang in Zukunft sein sollen. "Einerseits muss die Abgrenzung im Sinne von Bewahren der eigenen Autonomie und Identität gewahrt bleiben, andererseits muss man sich im Dialog auf den anderen einstellen können ..." (Cierpka a.a.O.). Das Ergebnis wird abschließend "leibhaftig" ausprobiert. Genauere Angaben finden sich bei Duhl (a.a.O.). Familien-Skulptur Virginia Satir hat selten mit einer Einzel-Skulptur allein gearbeitet, meist mit Paar-, Familien- oder Gruppen-Skulpturen. Die Auswertungsgespräche hat sie in der Regel während des Prozesse knapp gehalten; längere Berichte über Erfahrungen der Rollenspieler kamen erst nach Ende der Arbeit während des Briefings zur Sprache. Insofern unterscheidet sich das für die Einzel- und Paar-Skulpturen angegebene Vorgehen von dem Satirs. Ähnliches trifft auch für die verschiedenen Formen der Familien-Skulptur zu. Die Struktur des Vorgehens kann so gestaltet werden wie bei der Einzel- und Paar-Skulptur angegeben. Je nach Erfahrungsschatz des Therapeuten lassen sich Einzelheiten modifizieren. Leitlinie für den Therapeuten sollte sein: Skulpturen zeigen einerseits, was im personalen System oder Paar- und Familiensystem jetzt ist, doch sie helfen insbesondere dabei, Wahlmöglichkeiten und Ansatzpunkte für zukünftige Explorationen zu identifizieren. Besonders wichtig ist: Der Therapeut/Gruppenleiter ist für die Anleitung, das Timing und den Fluss des Prozesses verantwortlich. Wenn eine Person (Familien- oder Gruppenmitglied) "ihre" Skulptur entwickelt, muss der Anleiter diesen Prozess schützen, also nicht zulassen, wenn andere dazwischen reden oder ihre Vorstellungen dazu geben, da sonst das Bild verfälscht würde. Der Therapeut/Gruppenleiter muss beachten, dass sich Klienten im Verlauf der Skulpturarbeit häufig in einem veränderten Bewusstseinszustand - einer leichten Trance - befinden. Er kann dies für das therapeutische Ziel nutzen, indem er Klienten anregt, eine Weile in diesem Zustand zu bleiben und darauf zu vertrauen, passende Informationen und/oder Änderungsmöglichkeiten "aus dem Inneren" zu bekommen. Die Familien-Skulptur wird sowohl mit realen Familien als auch in Supervisions-, Lern- und vor allem in Familienrekonstruktionsgruppen angewendet. Im folgenden werden nun einige Vorgehensweisen mit Familien skizziert, anschließend dann in der Arbeit mit Gruppen. Therapeut stellt eine Skulptur ("Outside-in"-Skulptur) Der Therapeut veranlasst die Familienmitglieder aufzustehen, indem er beispielsweise sagt: "Ich möchte Ihnen kurz etwas zeigen." Oder: "Ich habe folgendes Bild von Ihnen als Familie ... Bitte stehen Sie alle auf ..." Der Therapeut nimmt jedes Familienmitglied und stellt die Personen in bezug auf Nähe und Distanz (repräsentiert durch die horizontale Ebene) und hinsichtlich Hierarchie, Power/Macht und Hilflosigkeit (repräsentiert durch die Nutzung des vertikalen Raums) im Zimmer auf. Zur Verdeutlichung stellt er z.B. eine Person, die die Macht in der Familie ausübt, auf einen Stuhl, eine hilflos wirkende Person platziert er am Boden kauernd oder er bindet Familienmitglieder mit Stricken aneinander, um die unsichtbaren Bindungen explizit zu machen. Ergänzend kann der Therapeut jeder Person bestimmte Gesten vorgeben und so metaphorisch die jeweilige Bedeutung des Verhaltens zeigen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Personen analog der körperlichen Ausdrucksformen der vier Kommunikationsmuster (beschwichtigend, anklagend, supervernünftig, ablenkend; Satir 1990, S.115 ff.) hinzustellen. Wenn er einem oder mehreren Familienmitglied/ern das Bild zeigen will, nimmt er kurz die Stelle und Haltung der jeweiligen Person ein und veranlasst sie - am besten auf einem Stuhl stehend - sich einen Überblick zu verschaffen. Ein Familienmitglied stellt eine Skulptur ("Inside-out"-Skulptur) Will der Therapeut das innere Bild eines Familienmitglieds bezüglich der Familie generell oder bezogen auf eine spezielle Situation oder einen spezifischen Zeitraum erfahren, so bittet er ein Familienmitglied, sein Bild zu zeigen. Vorteilhaft ist es, zu Beginn eine Person auszuwählen, die nicht der identifizierte Patient ist, sondern eine Person, von der der Therapeut z.B. den Eindruck gewonnen hat, dass sie eine gute Beobachterin ist. Oft erweisen sich gerade jüngere Kinder (im Alter ab sechs Jahren) als sehr kluge Skulpturbauer; sie scheinen besondere Seismographen für die Dynamik der Familie zu besitzen. Wenn ein Familienmitglied oder mehrere mit dem gestellten Bild nicht übereinstimmen, bietet sich für den Therapeuten die glänzende Gelegenheit, die Familie zu lehren, dass es verschiedene Sichtweisen gibt, die die "Wirklichkeit" des Familiensystems repräsentieren und die auch unsere Unterschiedlichkeiten und ŽÄhnlichkeiten widerspiegeln. Die Wahrnehmung von Unterschiedlichkeiten und Andersartigkeit mögen wir als Anlass zur Abkehr, Verurteilung und zur Schaffung von Distanz nehmen; wir können uns jedoch im Sinne Satirs auch entscheiden, Unterschiedlichkeiten als Ressourcen für Entdeckungen, besseres Verstehen, Akzeptanz und Bereicherung zu nutzen. Eine dritte Wahlmöglichkeit ist die offene Auseinandersetzung mit dem Ziel eines fairen Kompromisses. Simultan-Skulptur Der Therapeut bittet alle Familienmitglieder, sich gleichzeitig im Raum so zu platzieren, wie sie im Moment ihre Beziehung (Nähe und Distanz, Macht und Hilflosigkeit) zueinander erleben. Es ist erstaunlich, wie meist nach kurzer Zeit und einiger Rangelei jede Personen "ihren Platz" findet. Ist-Soll-Familien-Skulptur Ähnlich wie bei der Paar-Skulptur ist es auch hier möglich, nach der Ist- eine Wunsch-Skulptur darstellen zu lassen. Dabei ist es aber nicht notwendig, den ganzen Prozess vom Ist- zum Sollzustand zu durchlaufen; meist genügt es, nur ein kurzes Bild des Sollzustands zu zeigen, um ein Therapieziel formulieren zu können und bei den Familienmitgliedern Hoffnung auf Veränderung "einzupflanzen". Ereignis-Skulptur Familiäre Ereignisse - wie Geburt eines Kindes, Hochzeit, Umzug, Trennung, Scheidung, Tod - können tiefe Furchen im Prozess des Familienlebens hinterlassen. Als Einstieg zur Bearbeitung solch signifikanter Geschehnisse, kann die Ereignis-Skulptur dienen: Je nach Sachlage kann der Therapeut die Skulptur stellen oder ein Familienmitglied anleiten. Ziel ist es, die Unterschiede vor und nach Eintritt eines spezifischen Ereignisses deutlich zu machen. Für einen Jungen, der zwölf Jahre nach dem letzten Kind geboren wurde, kann es z.B. unerklärlich sein, was sich aufgrund seiner Geburt in der Familie - zwischen dem Ehepaar, zwischen den Geschwistern - verändert hat, wieso er von manchen Nähe, von anderen Distanz erfährt etc. Der Therapeut modelliert die Familie in der Zeit vor der Geburt, in einem nächsten Bild zum Zeitpunkt der Geburt und falls indiziert, auch noch einige Monate/Jahre danach. Je nach therapeutischer Notwendigkeit, kann der Protagonist "im Bild sein" - also den Prozeß innerhalb der Familien-Skulptur miterleben - oder von außen zuschauen, indem der Therapeut jeweils als Doppel in die Skulptur geht. Die Entwicklungsskulptur Wenn man die Ereignis-Skulptur über einen längeren Zeitraum ausdehnt, entsteht die Entwicklungsskulptur. Sie eignet sich gut dazu, bestimmte Ereignisse nicht als losgelöst im Erleben von Familienmitgliedern stehen zu lassen, sondern sie nachträglich in einen Entwicklungsprozess einzubetten. Eine typische Gelegenheit für diese Form der Skulptur bietet z.B. die Situation in einer Familie mit einer allein erziehenden Mutter. Der Therapeut stellt jeweils kurz Bilder von verschiedenen Stationen im Leben der Familie, angefangen vom Kennenlernen des Paares (und seien es nur einige Tage gewesen) bis hin zur heutigen Situation. Er erwähnt sowohl freudige Zeiten als auch schmerzliche Momente. Als Ersatz für den fehlenden Vater dient ein Stuhl oder ein großer Schaumgummiblock o.ä. Der Prozess muss fließend, einfühlsam und klar angeleitet werden. Der Therapeut stellt die Bilder (Nähe, Distanz, typische Gesten, evtl. Kommunikationsformen) und führt die Personen von einer Szene zur nächsten. Er verharrt einige Momente, um Freude, Leichtigkeit, Enttäuschung, Schmerz, Trauer etc. wirken zu lassen, geht aber dann weiter zum nächsten Bild; denn vorrangiges Ziel ist es, die Entwicklung aufzuzeigen und nicht an kritischen Punkten steckenzubleiben. Parallel dazu erzählt er aufgrund seines Wissens über die Familie eine Geschichte dieser Entwicklung. Virginia Satir hat manchmal in ihren vierwöchigen Seminaren mit etwa 90 Teilnehmern generationenübergreifende Szenarien entwickelt, die sowohl den Reichtum als auch die Tragik in Familien eindrucksvoll aufgezeigt haben. Der Familien-Tanz Wenn Virginia Bewegung in eine Skulptur brachte, sprach sie von "Stress-Ballett" oder "Tanz". Um zu demonstrieren, wieviel nutzlose Energien Menschen vergeuden, wenn sie dysfunktional kommunizieren, wählte sie das Streß-Ballett als kurze Intervention: Die Personen nehmen jeweils eine der Kommunikationsformen ein. In rascher Folge wechseln sie von einer Form in die andere und demonstrieren dies körperlich überdeutlich. Der Therapeut kann den Wechsel entweder anleiten oder es den einzelnen überlassen, wann sie kurzzeitig in welche Position wechseln. So modellierte Virginia z.B. eine Familie, die ihre dysfunktionalen Muster auf der verbalen Ebene nicht erkannte, nach den Kommunikationsformen und bat anschließend die Familienmitglieder, sich zu zentrieren: "Lassen Sie sich wissen, was Sie wo in Ihrem Körper spüren, welche Gedanken Ihnen kommen, was Sie jetzt am liebsten tun würden. ... Und jetzt "öffnen Sie die Augen, bleiben Sie zunächst in der Körperhaltung und setzen Sie sich dann in Bewegung; erlauben Sie sich, zu übertreiben, erhöhen Sie ihr Tempo. ... Und nun bleiben Sie stehen, bewegen Sie sich nicht mehr, schließen Sie Ihre Augen ..." Virginia schloss wieder eine Zentrierung an und arbeitete anschließend Wahlmöglichkeiten für die Realisierung kongruenter Kommunikationsformen heraus. Jegliche Familien-Skulptur kann bei Bedarf in Bewegung gesetzt werden, so dass im Nu die systemischen Muster (der "Tanz") sichtbar werden. Oft drückt das vom Therapeuten oder von einem Klienten dargestellte Bild nur einen Teil der familiären Interaktionen aus und die brisante Dynamik wird erst sicht- und spürbar, nachdem die Skulptur in Gang gesetzt worden ist. Papp (1976) entwickelte eine weitere Form der Familienskulptur - die Familien-"Choreographie" - die ihrer Ansicht nach den fließenden Charakter von Interaktionssequenzen genauer beschreibt. "Schnelle Bilder" Ziel von Satirs schnell inszenierten Skulpturen war es, nicht ausgedrückte Emotionen mit Hilfe affektiver (meist überraschender) Erfahrungen frei zu legen. Oft verkehrte sie typische Aussagen von Familienmitgliedern ins Gegenteil oder überzeichnete Bedeutungen, die Personen einem bestimmten Ereignis gaben. Einige Beispiele: "Jeder zerrt an mir!" Virginia stellte die Mutter mit ausgebreiteten Armen in die Mitte des Raums; Vater und Kinder griffen die Mutter links und rechts an den Armen und Beinen und zogen dann langsam in ihre Richtung. "Mich zerreißt es fast!" Diese Aussage setzte Virginia bevorzugt in ein Bild um, wenn es sich um ein Kind handelte, über das die Eltern miteinander in Streit geraten waren, wie z.B. anlässlich einer Scheidung. Das Kind stand mit ausgebreiteten Armen zwischen den Eltern. Mutter und Vater ergriffen je eine Hand und versuchten das Kind auf ihre Seite zu ziehen (wie in der Parabel des Kaukasischen Kreidekreises). "Wir schauen der Zukunft gemeinsam ins Auge." Die Eltern wurden Rücken an Rücken mit ineinander verschränkten Armen gestellt und hielten sich gegenseitig fest. "Meine Frau ist mir die größte Stütze." Der Ehemann wurde von Virginia leicht nach hinten gebeugt aufgestellt; die Ehefrau kauerte mit erhobenen Armen hinter ihm und stützte ihn mit den Händen ab. "Wir stützen uns gegenseitig." Mann und Frau standen sich in der Entfernung von etwa zwei Armlängen gegenüber; sie legten ihre Handflächen gegeneinander und lehnten sich zueinander, so dass die Position recht unsicher wurde. Wenn einer sich bewegte, kam der andere aus dem Gleichgewicht. "Unsere Mutter ist der Boss." Die Mutter wurde auf einen Stuhl gestellt, alle anderen Familienmitglieder standen um sie herum und blickten mit erhobenen Händen zu ihr auf. "Wir hängen wirklich aneinander." oder "Er ist manchmal eine wahre Last!" Eine Person (Mann, Kind) hing sich von hinten um den Hals der anderen; die erste Person setzte sich in Bewegung und zog die andere mit. "Die losgelöste Familie" (im Sinne Minuchins). Die Familienmitglieder wurden mit großen Abständen so im Raum aufgestellt, dass keinerlei Blick- und Körperkontakt untereinander möglich war. "Die verstrickte Familie" (im Sinne Minuchins). Die Familienmitglieder wurden alle (jeder mit jedem) mit Stricken aneinander gebunden. Die hier beispielhaft vorgestellten "schnellen Bilder" können einen Weg für neue Wahrnehmungen, Fragen und Entdeckungen sowohl auf Seiten des Therapeuten als auch des/der Klienten freisetzen. Der Kreativität des Therapeuten sind keine Grenzen gesetzt. Wie bereits erwähnt, werden Skulpturen häufig in der Gruppenarbeit und Supervision eingesetzt. Einige Möglichkeiten seien hier erwähnt: Ein Gruppenmitglied stellt eine Familien-Skulptur Der Skulpteur wählt Personen aus der Gruppe, die ihn an die realen Familienmitglieder erinnern. Ergeben sich Schwierigkeiten während des Auswahlprozesses, kann der Therapeut/Leiter sagen: "Nimm dir Zeit und lass dich von den Personen einfach 'anziehen', die für dich die realen Personen repräsentieren können." Die ausgewählten Darsteller erhalten kurze Informationen über die Personen. Der Skulpteur gibt ihnen drei Eigenschaften, zeigt - wenn möglich - eine typische Geste und spricht direkt zum Darsteller in der Rolle der Person. Dann beginnt der Skulpteur ohne Worte sein Bild der Familie zu stellen. Das weitere Vorgehen kann analog der anderen hier vorgestellten Familien-Skulpturen gestaltet werden. Selbstverständlich muss sich der Therapeut oder Gruppenleiter nicht nur auf das System der Kernfamilie beschränken; wenn er sich das Mehrgenerationensystem anschauen oder es zeigen will, bittet er darum, auch die jeweiligen Großelternfamilien dazu zu stellen. In Gruppen kann dies leibhaftig mittels Rollenspielern geschehen, in der Familienarbeit mit Hilfe von Stühlen, Kissen oder in der Einzeltherapie mit Bauklötzen u.ä. Ein Instrument, die Idee der Skulpturarbeit auf eine Dimension zu reduzieren, stellt das "Familienbrett" dar (Ludewig et al. 1983). Ein Gruppenmitglied stellt eine Gruppen-Skulptur Ein Gruppenmitglied wird angeleitet, sein Bild der Gruppe darzustellen. Die Vorgehensweise geschieht analog der Familien-Skulptur. Der Gruppenleiter oder der Co-Leiter kann als Doppel für den Protagonisten fungieren; erst wenn das Gruppenbild fertiggestellt ist, begibt sich der Protagonist an die Stelle des Doppels und macht die Zentrierung an "seinem Platz" mit. Die Auswertung des Gruppenbildes kann je nach Gruppengröße etwas gestrafft geschehen und sich auf besonders auffällige Konstellationen beziehen. Simultan-Gruppen-Skulptur Die Gruppenmitglieder werden aufgefordert, sich gleichzeitig im Raum in bezug auf Nähe, Distanz, Hierarchie etc. zu stellen und ihre momentane Stimmung auch mimisch und gestisch zu zeigen. Supervisions-Skulptur Der Supervisand modelliert sein Bild der Familie und stellt sich dann selbst/sein Doppel dazu. Sehr schnell kann der kundige Supervisor ohne viel Worte aufzeigen, wenn der Supervisand z.B. "im System gefangen ist". Rollenspieler können aus ihrer Rolle heraus Hinweise geben, was sie zur Veränderung brauchen. Leichter als mit konventionellen Mitteln lässt sich herausarbeiten, welche nächsten Schritte der Supervisand in den folgenden Therapiesitzungen gehen kann. Symptom-Skulptur Psychosomatische Störungen, Süchte und Krankheiten oder andere schwer fassbare Phänomene können mit Hilfe von Skulpturen externalisiert werden (in Anlehnung an White 1990) und auf diese Weise ihre Wirkung in einer Familie für den Supervisanden aufzeigen. In die Familienskulptur werden vom Supervisanden oder auch vom Supervisor die von Rollenspielern symbolisierten Krankheiten, Symptome etc. in bezug auf die einzelnen Familienmitglieder platziert. Die auf diese Weise personifizierten Teile können vom Supervisor z.B. ins Gespräch miteinander und/oder mit einzelnen Familienmitgliedern gebracht werden. Ihr Wert oder ihre Funktion für den identifizierten Patienten oder die gesamte Familie kann auf diese Weise exploriert werden. Beratersystem-Skulpturen In Supervisionsgruppen ist es oft angezeigt, neben der vorgestellten Familie auch das größere System plus Berater/Supervisand (mit und/oder ohne Doppel) darzustellen. Was eindimensional in der Beratersystem-Karte (siehe S. ) aufgezeichnet wird, kann in Gruppen weit effektiver leibhaftig dargestellt und besprochen werden. Konflikte und Interessenskollisionen zwischen einzelnen Beratern/Institutionen etc. werden auf diese Weise rasch erkennbar. Der Blick des Beraters/Supervisanden wird erweitert und auf das soziale Netz ausgerichtet; er gewinnt Informationen "... über die Struktur von Beziehungen und wie Strukturen, Einzelne und Beziehungen sich im Laufe der Zeit unter bestimmten sozialen Bedingungen verändert haben" (Erickson 1990, S.18). Der mehrmalige Einsatz der Beratersystem-Skulptur im Verlauf der Therapie dient darüber hinaus zur Fortschreibung der Kontextanalyse: Die Wechselwirkungen zwischen Therapeut und Klienten sowie zwischen Therapeut und den beteiligten Institutionen/Beratern und dem Symptomträger können dadurch immer wieder neu ergründet werden (Spengler 1991). Hinweise zum "Skulpturbauen" Selbstverständlich ist die Technik des Skulpturenbauens nicht für jeden Klienten und ebenfalls nicht für jeden Therapeuten geeignet. Der Therapeut sollte sich prüfen, ob diese Technik zur eigenen Person, zum eigenen Stil und Repertoire passt. Außerdem fällt es nicht jedem Klienten und Therapeuten leicht, Körperkontakt zuzulassen. Gerade in einer therapeutischen Situation zwischen Mann und Frau muss genau darauf geachtet werden, ob und inwieweit körperliche Berührung adäquat und zulässig ist. Die Technik darf nur angewendet werden, wenn beim Therapeuten die emotionale und professionelle Sicherheit, die Eindeutigkeit im Vorgehen und beim Klienten die Bereitschaft zur Mitarbeit gegeben und vor allem die gegenseitige Vertrauensbasis vorher geschaffen ist. Die in diesem Beitrag dargestellten Skulpturarten sollen einen Überblick vermitteln und Anreize geben, als erfahrener Therapeut/Gruppenleiter selbst zu experimentieren. In Therapien und in unseren Weiterbildungsgruppen verwenden wir weitere Varianten und entdecken mit Hilfe der Klienten und Weiterbildungsteilnehmer von Zeit zu Zeit noch neue Formen. Wichtig erscheint mir: Therapie ist ein Lernfeld für Therapeuten und Klienten; Skulpturarbeit schafft Gelegenheiten zum lebendigen Lernen in einem System. Wenn Therapeuten/Gruppenleiter sich entscheiden, Skulpturarbeit einzusetzen, sollten sie sich im Klaren sein, was der erwartete "outcome" einer Skulptur - also das therapeutische Teilziel - sein soll: Soll die Skulptur vornehmlich diagnostischen und explorativen Zwecken (bezogen auf Einzelpersonen, Paar, Familie, Gruppe) dienen? Soll sie das Erkennen und Verstehen spezieller sich wiederholender Muster fördern und den Ausgangspunkt für die Entwicklung von ŽÄnderungen bilden? Soll sie das Lernen in einer bestimmten Situation erleichtern? Soll sie Zugang zu bestimmten Gefühlen ermöglichen? Soll sie Zugang zu neuen Lösungsmöglichkeiten schaffen? Soll sie neue Bilder/Sichtweisen bezüglich des Gesamtsystems oder Systemteilen anbieten? Zeitweise sind Therapeuten so intensiv damit beschäftigt, eine "richtige" Skulptur zu machen oder stellen zu lassen, dass sie vergessen, den Prozess des Skulpturenbauens zu beobachten und auf diese Weise die Chance verpassen, therapeutische Veränderungen einzuleiten. Erfahrene Therapeuten realisieren jedoch, dass eine "verpaßte" Chance nicht unbedingt als "verpasst" angesehen werden muss. Manchmal ist der Einsatz der Skulpturtechnik, der keine sofortige Veränderung zur Folge hat, ein wichtiger Teil des langsam "weicher" werdenden Prozesses. Untersuchungen Die Arbeit mit Skulpturen hat sich in den vergangenen 15 Jahren als ein nützliches Instrument in der Therapie bewährt. Viele Anwender können über die positiven Effekte und den ökonomischen Wert sowohl in der Therapie als auch in der Supervision und Gruppenarbeit berichten; ihre Wirksamkeit erscheint evident. Notwendig sind jedoch vergleichende Studien: Wie wirksam ist die Skulpturarbeit im Vergleich zu anderen Techniken? Auf welche Weise bewirken Skulpturen spezifische ŽÄnderungen im Familiensystem und beim einzelnen? Repräsentieren Skulpturen tatsächlich gültig die inneren psychischen Ereignisse? Ist die Arbeit mit Skulpturen tatsächlich ökonomischer und effizienter als verbale Techniken? Ist eine Skulptur eine gültige Repräsentation eines Systems? Duhl sagt, dass man ein System nicht sehen, nicht anfassen und nicht küssen kann (Duhl 1983, S. ). Zum Trost möchte ich ergänzen: Mit Hilfe der Kunst der Skulpturtechnik wird das Konstrukt System zumindest in Ansätzen sicht- und "begreifbar". Literatur Andolfi, M. (1982): Familientherapie. Das systemische Modell und seine Anwendung. Freiburg: Lambertus. Cierpka M. (1986): Zur Funktion der Grenze in Familien. Familiendynamik 11,4, S. 307-324. Duhl, B.S. (1983): From the Inside Out and Other Metaphors. Creative and Integrative Approaches to Training in Systems Thinking. New York: Brunner/Mazel. Duhl, B.S. (1985): Metaphern in der Paartherapie. Workshop des Münchner Familienkollegs. Duhl, F., Kantor, D., Duhl, B.S. (1973): Learning, Space and Action in Family Therapy: A Primer of Sculpture. In Bloch, D.A. (Ed.): Techniques of Family Therapy. New York: Grune & Stratton, S.47-63. Constantine, L.L. (1978): Family Sculpture and Relationship Mapping Techniques. J. of Marriage and Family Counselling, 4. Erickson, G., D. (1990): Gegen den Strich: Die Familientherapie gehört nicht ins Zentrum. Familiendynamik. 15, 1, S. 2-21. Ludewig, K., Pflieger, K., Wilken, U., Jacobskötter, G. (1983): Entwicklung eines Verfahrens zur Darstellung von Familienbeziehungen: Das Familienbrett. Familiendynamik 8, S. 122-127. Müller, G.F. (1975): Präventives Elterntraining. Psychologie heute 4, S.13-18. Müller, G.F. (1990): Anregungen für die Arbeit mit sozial schwachen Familien. In Textor, M.R. (Hrsg.): Hilfen für Familien. Ein Handbuch für psychosoziale Berufe. Frankfurt/Main: Fischer, S. 523-548. Münchner Familienkolleg (1979 - 1991): Materialien zur Weiterbildung in strukturell- und wachstumsorientierter Familientherapie. Unveröffentlichte Arbeitspapiere. Nerin, A., Nerin, W. (1983): Die Arbeit mit Skulpturen. Workshop des Münchner Familienkollegs. Papp, P. (1976): Family Choreography. In: Guerin, P.J. (Ed.): Family Therapy - Theory and Praxis. New York: Gardner Press, S. 465-477. Papp, P., Silverstein, O., Carter, E. (1973): Family Sculpting in Preventive Work with "Well Families". Family Process 12, S.197-212. Satir V. (1983, 1985, 1987): 10 Tage Familienrekonstruktion. Video-Aufzeichnungen: Seminare des Münchner Familienkollegs. Satir, V. (1990): Kommunikation, Selbstwert, Kongruenz. Konzepte und Perspektiven familientherapeutischer Praxis. Paderborn: Junfermann. Schweitzer, J., Weber, G. (1983): Beziehung als Metapher: Die Familienskulptur als diagnostische, therapeutische und Ausbildungstechnik. Familiendynamik, 7, S.113-128. Spengler, C. (1991): Zur Methodik der Kontextanalyse. Familiendynamik 16, 3, S. 255-273. |